Mittwoch, 12. Mai 2010

...

Manchmal sind zwei Wochen einfach nur zwei Wochen, ich stehe morgens auf, 3x die Woche frueher, zweimal fuer lettisch unterricht, einmal fuer russisch unterricht, schlage die Zeit in der Schule tod, sitzte mit Tine im Goetheinstitut oder treffe mich mit Eline, wenn gutes Wetter ist draussen und wenn man mal wieder das Gefuehl hat das sich der Winter niemals von Lettland verabschieden wird in einem der millionen Cafes in der Altstadt. Abends sitzte ich mit meiner Familie vorm Fernseher, fuehle mich wohl oder wuensche mich weg, kleine Frustrations- oder Freudensanfaelle wenn mein lettisch sich veraendert, Joggen und Lesen.

Und manchmal sind zwei Wochen wie die letzten Beiden. Ohne besondere Plaene im Vorraus war ploetzlicher jeder Tag in Bewegung und ich hatte Muehe noch Zeit fuer die Abende mit meiner Familie zu finden.
In vermeintlich ruhigen Momenten dachte ich oft,cdass ich mal blog schreiben muesste, aber natuerlich kam immer was dazwischen und es gab viel zu viel zu tun.
Auch jetzt grade habe ich eigentlich Informatika, aber ich glaube wenn ich jetzt nicht schreibe werde ich es nie machen. Um genau zu sein habe ich schon seid 20min informatika, und schreibe auch schon seid 20 min an diesem Eintrag, ich habe keine Ahnung wie, aber ich habe auf der Tastatur eine Taste gefunden die mit einmal druecken alles geschriebene loescht und jetzt habe ich nur noch weitere 20min um zwei volle Wochen nachzuerzaehlen.
Richtig, das klappt niemals.
Also fange ich einfach mit dem letzten Wochenende an und gucke mal wie weit ich komme.

Freitag, dauz laimes vardadiena!
Von euch weiss es vermutlich keiner, aber Lilija hatte am Freitag den 30. Namenstag. Und das eine i mehr oder weniger, wen interessiert das schon?
Meine Familie jedenfalls hatte schon am Anfang des Jahres beschlossen das am 30. mein Namenstag gefeiert werden wuerde und was mich wirklich ueberrascht hat: Alle anderen wussten es auch!
Mein Geburtstag wurde in der Schule weitgehend ignoriert, also ging ich wie selbstverstaendlich davon aus das es am Namenstag genauso sein wuerde. Dementsprechend war ich geschockt als schon auf dem Weg zum Englischraum mir irgendwelche leute gratulierten, im Raum dann sprang meine ganze Klasse auf mich zu und gratulierte mir. Schon das alleine haette gereicht um meinen Namenstag zu was besonderm zu machen, aber unsere Englischleherin war krank und ausser der regel im Raum zu bleiben hatten wir keine weiteren Aufgaben oder Regeln bekommen. Nach einer Weile habe ich dann angefangen einen Brief zu schreiben (ich glaube an dich Clara, ist der schon da?) waehrend sich in der letzten Reihe ein Grueppchen bildete was auffaellig immer dann irgendein englischarbeitsblatt machte wenn ich vorbei kam oder rueberguckte. Nach englisch hatten wir Mittagspause, zur sicherheit habe ich im Supermark schnell Suessigkeiten fuer meine Klasse gekauft (das macht man hier so) und ich hatte Recht damit:
In der nächsten Stunde stand meine Klasse singend mit einem großen, grünen Plakat voller Glückwünschen, Grüßen und Sprüchen darauf hinter mir!

Am Abend hat mich meine Gastfamilie dann zu einem Eishockeyspiel eingeladen. Eishockey ist hier der Volkssport Nr. 1 und meine Familie lacht sich immer halbtod wenn ich auch dann noch unbedteiligt vorm Fernseher sitze und lese wenn Deutschland oder Lettland ein Tor schießt. (Meine Familie brüllt dann sehr laut und sehr begeistert, außerdem blinkt das Tor praktischerweise, sonst würde ich wahrscheinlich nicht mal mitbekommen das ein Tor fällt)
Die Karten waren wohl ein Versuch mich endlich auch mal zum begeisterten kreischen zu bringen.
Ich glaube der Versuch ist geglückt, es kann gut sein das ich Ein- oder Zweimal ziemlich laut und ziemlich begeistert gekreischt habe wenn ein Tor im Spiel Lettland-Weißrussland gefallen ist.
Tinchen war auch mit in der Arena, ich denke wir können jetzt beide sagen: Wir habens mal gesehen, es hat uns gefallen und der Namenstag von Lilija war ein echt toller Tag in unserem Austauschjahr.

Samstag, Rentnerreise!

Das war zumindest Elines und mein erster Gedanke als wir am Samstagmorgen um 7.30Uhr in der Schlange vor einem Reisebus nach Liepaja (eine kleinen Stadt an der Küste) anstanden, zusammen mit ungefähr 25 Menschen, von denen mindestens die Hälfte über 60 war...
In die Schlange sind wir gekommen, weil wir jetzt wo es endlich wärmer wird auch was von Lettland sehen wollen.
Meine Gastmutter hat uns eine geführte Reise empfohlen weil wir so mehr vom Land sehen und hören würden.
Und zuerst bestätigte sich unser erster Eindruck auch, nach 2h Fahrt durch Lettland hatten wir von unserem mitreisenden, mit Mirkofon ausgestatteten, Guide schon Kochrezepte, Krankheitsgeschichten und andere nette Anekdoten zu hören bekommen. Eline wettete für die nächste halbe Stunde auf dramatische Kindheitserinnerungen und gewann natürlich. ("In diesen See dort, gucken Sie!, hat mich mein Bruder geschubst als ich 7 war, weil ich unserer Mutter verraten habe das er die Baiba geküsst hat, aber das habe ich nur verraten, weil...")
Gottseidank besserte sich das Programm schnell, unser erster Halt war eine Pilzzucht von irgendwelchen Verrückten die mitten im lettischen Niemandsland nur so zum Spaß und für Touristen japanische Pilze züchten, weiter ging es dann durch verschiedene kleine Dörfer und Städte (die Qualität der Kommentare besserte sich wundersamerweise ebenfalls sehr schnell) und dann zu einem Nationalpark in dem eine seltene Wildpferdeart und ein paar Kühe leben.
Ich habe vom Nationalpark, Kühen und Pferden ein paar Fotos gemacht,ihr findet sie auf der Fotopage in dem Liepaja ordner unter dem Stichwort "Pferde". Selbst wenn ihr Pferden, Fohlen, Kühen und Kälbern nichts abgewinnen könnt lohnt ein Blick, die Landschaft war wirklich Nationalpark würdig!

Am Nachmittag kamen wir dann in Liepaja an. Liepaja ist eine für lettische Verhältnisse realtiv große Stadt, für Deutschland würde es vermutlich grade so als Kleinstadt durchgehen. In Liepaja hat unser Guide uns durch die Stadt geführt. Nichts so besonderes im Grunde, ein paar alte Holzhäuschen, ein kleiner Hafen, ein paar mehr oder weniger berühmte Gebäude und ein wunderschöner Strand.
Es war schön in Liepaja und es gäbe noch viel zu erzählen, aber der Sonntag war ein Monstertag und ich muss ja auch noch was zum erzählen in zwei Monaten haben!

Sonntag, durch Feuer und Wasser.


"Mami, das ist mal ein echtes Abenteuer!", rief das etwas 8 jährige Mädchen beim anblick einer ca. 10 meter entfernten Windmühle begeistert aus. "So nah war ich noch nie an einer dran!"
Nein, mein Sonntag war bis dahin nicht langweilig gewesen, wir waren in einem über 100 Jahre altem Knast, in einem unterirdischen russichen Bunker und haben an einem phosphorverseuchten Strand nach Bernstein gesucht und Steine übers Wasser flippern lassen, aber in dieser Reisegruppe wunderte mich eigentlich kaum noch etwas.

Noch vor dem Knast mussten wir logischerweise aufstehen. Um 7.30 Uhr war Abfahrt vor dem Hotel. Die ersten 30min im Bus musste ich gegen den Willen ankämpfen den Busfahrer zu bitten mich irgendwo rauszulassen, alles was ich wollte war an einem weniger schaukelnden Platz zu schlafen, aber dann nickte ich im Bus ein. Lettische Straßen sind nur ein ganz kleines bisschen wie deutsche, im grunde haben sie, grade in kleineren Orten, nur gemeinsam das man auf ihnen fahren kann. Oder zumindest die Letten können es, sogar die Busfahrer. Ich wachte immer mal wieder auf wenns es brenzlig wurde, also die Straße nur halb so breit wie der Bus war und der Busfahrer sich durch kurven schlägelte die vermutlich bestenfalls für einkaufswagengroße Autos gemacht wurden. Aber nicht die Straßen waren das bemerkenswerte an dieser Fahrt, nur das sie mich immer mal wieder aufweckten. Eingeschlafen war ich in Liepaja, einer Stadt so gut wie ohne Plattenbauten, dafür viele, manchmal sogar renovierte Holzhäuschen, aufgewacht bin ich das erste Mal im Wald, das zweite mal dann zwischen riesen Plattenbauten. Hier in Riga gibt es auch genug davon, sie ziehen sich wie ein Gürtel um die Innenstadt, aber ich habe noch nie sowas gesehn wie dort. Ganze Straßen standen leer, dann wieder eine gelbangelaufene Platte, die Balkone größtenteils zur hälfte weggebrochen, eigentlich war nur an der draußen hängenden Wäschewar zu erkennen das in diesen Gebäuden Menschen wohnten. In Lettland ernähren sich Leute auf dem Land größtenteils selbst, schon wir haben ein großen Garten zuhause aus dem viele unserer Lebensmittel kommen, aber ich weiß auch das es Familien gibt die sich fast ausschließlich aus dem Garten ernähren. Nur: um diese Plattenbausiedlung gab es kein Garten, scheinbar ohne jeden Grund standen die Dinger mitten im Wald. Wer ist je auf die Idee gekommen eine Siedlung ohne jede Infrastruktur zu bauen? Die Frage beantworte unser Guide nach einer Weile: Wir nährten uns dem Karosta (Ich würde es als Kriegshafen übersetzten, aber als ich dann da war gleichte es nicht wirklich einem Hafen, es war aber auf jeden Fall etwas militärisches wofür man früher wohl mal viele Mitarbeiter gebraucht hat) und mit einem gewissen Stolz erzählte unser Guide das Lettland mal ein Einwandererland war. Während der letzten Okkupation hatte der Karosta gebrummt, und Menschen aus ganz Russland hätten ihr letztes Geld zusammen gekratzt um eine Fahrkarte nach Liepaja zu kaufen, den alle wussten: In Liepaja gibts immer Arbeit!
Das mit dem "immer" hatte sich schnell erledigt, heute arbeitet im Karosta kein einziger Mensch mehr. Und die die hier leben, was machen die?
Unser Guide winkte ab, wusste es wohl selber nicht so recht. "Zigeuner und Russen sind das" Damit war das Thema dann auch durch.
Am Anfang des Jahres wäre ich wohl noch geschockt gewesen, jetzt versuchte ich nur noch zu schlafen und den Alltagsrassismus, von dem den meisten Letten nicht mal klar ist das es rassismus ist, zu überhören.
Es fühlt sich nicht wirklich gut an sowas zu überhören, genauso wenig wie es sich gut anfühlt sowas anzusprechen und sich dann auf Disskusionen einzulassen denen man auf grund der Sprache noch immer nicht so wirklich gewachsen ist. Und was auch sagen? Den Russenhass wird man den Letten wohl niemals abgewöhnen, und der, nett ausgedrückt, Argwohn gegen Zigeuner (ich weiß das es Sinti und Roma heißt, tschuldigung.) ist einfach viel zu tief verwurzelt. Es war eines der ersten Sachen die meine Gastfamilie mir sagte: Pass auf deine Tasche auf in den Fußgängerunterführungen in Riga, da sind Zigeuner!

Aber zurück zu der Busfahrt, als ich das nächste Mal aufwachte sah es nicht besser aus, und das übernächste mal auch nicht, und dann wieder Wald, Wald und Wald.
Nach etwas einer halben Stunde hielten wir vor einem roten Backsteinbau. Ich wusste schon das wir einen berüchtigten Knast besichtigen wollten, war dann aber etwas erstaunt. Das Gebäude hatte nichts von den riesigen Gefängnissanlagen in Deutschland, nur dieses eine rote Gebäude, noch nicht einmal besonders groß.
Nach dem Aussteigen standen Eline und ich staunend vor der Gefängnissmauer, nein besser: Gefängnisszaun. Der Zaun bestand komplett aus Holzlatten, nicht höher als zwei Meter. Oben drauf waren , mehr wie eine Krone als zur Abschreckung, zwei Schnürchen Stacheldraht. Der Stacheldraht hätte beim Versuch diesen Zaun zu durchbrechen kein Hinderniss dargestellt, ich hätte selbst in meinem verpennten Zustand mit einem halbherzigen Tritt die Holzlatten zum Brechen gebracht.
Das Tor in diesem Zäunchen sah da schon eindrucksvoller aus, groß und aus Stahl.
Drauf gepinselt war auf englisch, lettisch und russisch das man sich am Eingangstor des Gefängnisses befinde, wenn man die Realityshow starten wolle, solle man bitte auf die sich neben dem Tor befindende Klingel drücken. Bevor ich die Realityshow starten konnte, brüllte uns eine kleine Frau in eindrucksvoller Uniform an. (Ich hatte nicht ausversehn auf die Klingel gedrückt!) Unser Guide erklärte ihr das wir nur die Führung durch das Gefängniss wünschten, keine Realtiyshow. Ich finde die Frau in der Uniform sah ziemlich erleichtert aus. Mehr oder weniger halbherzig wurden wir in zwei Reihen sortiert und sie begann über die Geschichte des Gefängnisses zu erzählen. Irgendwann ging es dann auch hinein. Der erste Schock: Alle Wänder waren mit einer schwarzen Lackfarbe gestrichen. Die kleine Frau führte uns zügig durch das Gebäude und obwohl wir nicht die Realityshow gebucht hatten durften wir uns doch mit 25 leuten in eine kleine Kammer sperren lassen in der es komplett dunkel war. Früher hätten da 50 reingepasst sagte die Frau. Weiter ging es durch verschiedene Arten von Zellen die alle etwas gemeinsam hatten: Sie sahen trostlos aus. Und waren Schwarz gestrichen. Außerdem wurde mir auch langsam klar warum es möglich war den Knast nur durch so ein Zäunchen zu schützen, es gab in den Zellen zwar Fenster, aber wohl der einfachheit halber hatte man die dicken Glasbausteine auch mit der schwarzen Lackfarbe bestrichen. Hofgang gab es in diesem Knast auch nicht, mit war schon beim hineingehen ein kleiner Hühnerauslauf im Hof aufgefallen, komplett aus Stacheldraht gebaut, vielleicht 4x4qm groß. Wenn also ein Häftling unbedingt rauswollte so führte man ihn ab und zu mal in den Hühnerauslauf, mit dem Zaun kamen die Häftlinge also nie in Berührung.
Im Gebäude war es eisig kalt, obwohl draußen ein schöner sonniger Tag war schätze ich es auf höchstens 3* zwischen den schwarzen Mauern. Die Uniformierte bestätigte meine schätzung, wenn es draußen 20* waren konnte man hier drinnen 5* genießen. Nun möge man sich mal vorstellen wie es kuschelig es in einem lettischen Winter bei -30* aussentempratur da drinnen ist...Es überraschte nicht wirklich das die durchschnitteliche Lebenserwartung (immer abhängig von den derzeitigen Betreibern, dazu später) in diesem Gefängniss 40 Tage betrug.
Nach der Führung bin ich dann draußen vor dem Gebäude noch ein bisschen auf einem alten sowjetpanzer rumgeklettert der ziemlich sinnlos auf dem Hof rum stand, dann habe ich mich zu einem der Alten aus unserer Gruppe auf eine Bank in die Sonne gesetzt und ihn gebeten mir noch einmal die Geschichte des Gebäudes zu erzählen, vieles war ein bisschen zu schnell gewesen und bei anderen Sachen war ich mir einfach sicher mich verhört zu haben.
Der alte Mann, mit langem weißen Bart und lustigem akzent, wahrscheinlich ein russischer, aber es sagte nichts darüber,also fragte ich nicht, begann zu erzählen, und ziemlich schnell war mit klar das ich mich nicht verhört hatte...
Das Gebäude wurde 1905 gebaut, geplant war es zusammen mit einem schwestergebäude aus der anderen Straßenseite, als Krankenhaus, aber dann brach in Russland eine Revolution los und man hatte einen großen Bedarf für Gefängnisse. Das Gebäude wurde also nie als Krankenhaus genutzt, es hat seine lange Karriere gleich als Gefängniss begonnen. Bis 1941 wurde es mehr oder weniger ereignisslos als Gefängniss benutzt,dann kamen die Deutschen. Nein, die Nazis machten auch kein Krankenhaus daraus, natürlich blieb es ein Knast. Die Häftlinge waren vorallem Deserteure, deutsche die bis nach Lettland verschleppt wurden um dann in diesem Knast umgebracht zu werden und Letten die sich den Nazis nicht anschließen wollten. Es ist nich viel bekannt über diese Zeit, nur das die Besetztung des Knastes wohl sehr schnell gewechselt haben muss, die genaue Zahle der Toten ist nicht bekannt, aber man schätzt das in der gesamten Geschichte dieses Gefängnisses über 600.000 Menschen darin gestorben sind. Mindestens 1/3 soll in den 4 Jahren der Nazi Okkupation gestorben sein.
Nach der Befreiung Lettlands durch die rote Armee fiel der Knast wieder seinen Erbauern in die Hände, sie nutzen ihn bis 1991 als normalen Knast. Wir waren inzwischen in der Zeit die der alte Mann neben mir erlebt hat, er erzählte davon wie gefürchtet dieser Knast war, und das es seit der erbauung 1905 keine renovierungen geben habe. Man konnte für alles in den Knast kommen, es wurde kein Unterschied gemacht zwischen Hühnerdieb und Hochverräter, alles wurde in die schwarzen Zellen gesperrt. Und die sind übrigens schwarz gestrichen weil es irgendwann in der ersten russischen Periode des Gefängnisses einen Versuch geben hatte, der bestätigte das Häftlinge in schwarzen Zellen weniger ausmüpfisch sind.
Bis hierin war das eine sehr schlimme Geschichte, die aber leider sehr typisch ist für Lettland, viele Tote, viele Okkupationen.
Aber schon während der Führung hatte die kleine Frau irgendwas mit 1997 gesagt was mich verwirrt hatte. Ich fragte den alten Mann was mit dem Gefängniss nach 1991 passierte. Die Antwort hätte eingentlich nicht überraschen sollen: Es wurde als Knast genutzt.
1997 stand dann ziemlich fest das Lettland versuchen wollte in die EU und Nato zu kommen, und jetzt war mir auch klar das ich richtig verstanden hatte was ich während der Führung nicht einordnen konnte:
1997 musste der Knast geschlossen werden, wie gesagt, es gab seit 1905 Neuerungen. Die Frau in der Uniform merke zu der Schließung noch an: Wir hätten das ja sonst vergessen können mit der EU, wegen Menschenrechten und so.
Eline rechnete, sie war 6 Jahre alt als noch immer Menschen in einem seit 1905 nicht renovierten Knast mit schwarzlackierten Fenstern saßen.
Die Geschichte das Gefängnisses wurde übrigens auch noch auf eine andere Art eindrucksvoll geschildert, die Wände waren voll mit Zeichnungen und Sprüchen auf deutsch, russisch und lettisch.

Heute hat man sich was neues für das alte Gebäude einfallen lassen. Der Tourismusverband Liepaja bietet jetzt Realtiyshows, vorallem für Schulklassen aber auch für Privatmenschen, an. Inklusive Dunkelzelle, Häftlingskleidung, Haftärtzlicher Untersuchung und übernachtung in einer schwarzen Zelle. Auf Wunsch wird man auch Nachts eingeschlossen.
Falls interesse besteht, es können auch Jungesellenabende (danach kommt einem die Ehe auf jeden fall perfekt vor) und Spukgeschichtennächte organisiert werden. Lecker das ganze. http://www.karostascietums.lv/new/de/mainmenu-de.html

Nach dem Gefängniss stieg dann ein Student zu uns in den Bus und erzählte uns während der Fahrt zum nächsten Programmpunkt noch viel über die Wälder. Hübsche Sachen wie Massengräber und Militärversuchsgebiet wechselten sich ab.
Angekommen sind wir dann aber auf einer wirklichen Märchenlichtung, nur das Beton-etwas an einer seite störte.Das Betonetwas war unser nächster Programmpunkt, die Führung durch einen unterirdischen Bunker, angefangen mit dem Bauen hat irgendein Zar, die deutschen haben weiter gemacht, bis 1991 habens die Russen fertig gemacht. Und die haben auch bis heute noch die Baupläne und halten wenig von der Idee die Öffentlich zu machen, egal auf welchem grund und boden ist das ja schließlich ein russisches Militärgebäude und wer weiß denn auch schon wie lange dieses kleine Lettland noch unabhänig bleibt...

Ich will an dieser Stelle nochmal daran erinnern das wir mehrer Personen über 70 in unserer Reisegruppe hatten. Die Führung durch den Bunker wäre in deutschland vermutlich niemals möglich gewesen, es gab keine elektrizität, also wurden uns fakeln in die Hände gedrückt. Auf dem Boden stand das Wasser dezimeter hoch, drüber gelegt waren dünne Bretter als Gehwege. Zwischendurch musste man immer mal wieder kriechen, unser Student ermahnte uns immer wieder zusammen zu bleiben und die Haare der anderen nicht abzufaklen, es gäbe hier unten keine Möglichkeit brennende Haare zu löschen außer halt das Wasser auf dem Boden. Und verloren gehen wäre auch schlecht, durch das abhandensein von Bauplänen kannte sich niemand so wirklich in dem Tunnelsytem aus...Beim kriechen durch minitunnel oder runterklettern von nassen glitschigen Steinstufen im licht einer Fakel war mir manchmal doch etwas mulmig, eline wohl auch. Irgendwann nahm eine der wirklich sehr alten Frauen sie an die Hand und meinte nach sovielen Kriegen wie sie sie erlebt hätte hätte man vor einen dunkelen Bunker keine Angst mehr. Als ich das später zuhause erzählte meinte Andris, mein Gastvater,: Diese Frauen sind durch Feuer und Wasser gegangen, die erschreckt nichts mehr.
Ich jedenfalls war sehr froh als wir aus dem muffigen Ding rauskamen und plötzlich an einem absoluten Traumstrand standen. Ewig lang mit wunderschönem, weich aussehenden Sand. Eline und ich rannten zum Meer und suchten Flippersteine. Nach geschätzen 5 Minuten kam einer der Herren aus unserer Reisegruppe. "Ihr seit vorsichtig mit dem Phosphor, ja? In den letzten Jahren gab es hier böse Unfälle mit brennenden Menschen." Ich musste erstmal schlucken, und vielleicht war es besser das dann keine Zeit mehr zum Flippern blieb...
Stattdessen wies uns der Student dann auf riesige Betonklötze in den Dünen hin. Man wusste nicht genau wozu die genutzt worden waren, aber irgendwas militärisches aufjedenfall. Im Wegegehn sagte er wir sollten vorsichtig sein, letztens sei einer davon umgekippt...
Tja, und dann 5 minuten später sagte das kleine Mädchen neben mir begeistert zu ihrer Mutter das diese Windmühle da aber mal wirklich ein tolles Abenteuer gewesen sei...

Der Tag ging noch lange weiter, wir sind noch zu einem anderen Strand, diesmal wirklich Traumstrand und vermutlich auch ohne Phosphor gefahren, haben mittagsessen mit einer alten Dame gegessen die unglaublich gerührt davon war das sie wieder in Kurzeme sein durfte (Das ganze Küstengebiet war während der letzten Okkupation militärisches Sperrgebiet, deswegen auch der Phoshor am Stand) sie meinte wir wären zu jung um jemals das Wort "slegta zone" (sperrzone) wirklich zu verstehen, ich glaube sie hat recht.
Unser letzter Stop war dann in Kuldiga, schon mehr in landesinneren, dort gibt es lettlands größten Wasserfall zu bewundern. Nicht grade niagarafälle aber doch sehr schön.

Inzwischen ist Mittwoch und ich habe seit der letzten Informatikastunde immermal ein bisschen weitergeschrieben und es wurde irgendwie immer länger und mehr zu erzählen. Es kam sogar noch ein tolles Wochenende dazu, aber ich höre an dieser Stelle auf. Ihr könnt euch auf lange Abende in Deutschland freuen, es gibt noch genug zu erzählen...



p.s Fotos habe ich natürlich auch gemacht, als erstes seht ihr im Ordner "liepaja" Fotos von Pferden und Kühen, dann von Liepaja, dann vom Gefängniss, Bunker und Phosphorstrand (aber für Gefängniss+ Bunker guckt euch lieber die Gallery bei dem angebenenen Link an, ich war zu beschäftigt mit zuhören und meine Bilder sind nicht grade Preisverdächtig) als letztes gibt es dann Bilder von dem Traumstrand zu bewundern.
übrigens habe ich grade beim sortieren der fotos gemerkt das einige der Zellen zum Übernachten blau gestrichen sind, ich habe keine ahnugn warum das so ist. schreibe ich auch nur damit mir nicht gleich wieder vorgeworfen wird unwahre sachen zu erzählen^^

alles liebe
lilja
Tines Mama - 16. Mai, 10:31

Mannomann,

... was du alles so erlebst! Auf so eine Gefängnis-Realityshow könnte ich auch gut verzichten. Das war bestimmt ganz schön beklemmend, sich vorzustellen, wie viele Menschen dort leiden mussten.
Tines und deine Erlebnisse unterscheiden sich ja häufig sehr, tragen aber mit dazu bei, dass wir uns ein umfassendes Bild von Lettland machen können.
Wie hast du es geschafft, in so kurzer Zeit (20 min. Informatik) so viel Text zu schreiben? :-)
Viele Grüße und weiterhin eine schöne, erlebnisreiche Zeit!
Esther

thomasgeht - 26. Mai, 16:56

Berlin grüßt!

Hallo Lilja,
ich wollte nicht so sang-und klanglos verschwinden und melde mich deshalb noch einmal aus der Heimat. Nachdem ich Genua erreicht hatte, war da keine Lust mehr, mich zu Fuß weiter zu bewegen. Nach den Besuchen der verschiedenen Städte bin ich seit Ende April wieder in Deutschland und auch schon mal wieder für einige Tage in Berlin. Ich schaffe es immer noch, mich wie ein Tourist zu fühlen und die Stadt (gerade an den Ecken, wo Neues entstanden ist) mit den Augen eines Touristen zu betrachten. Dadurch, dass ich noch nicht arbeiten muss, habe ich ja auch Zeit dazu.
Ich habe endlich Deine Einträge von April und Mai gelesen und werde mir jetzt noch die Fotos ansehen. Die Reise klingt interessant, wobei ich auch lieber den Strand als den Knast oder den Bunker besucht hätte.
Ich bin gerade dabei, meinen Blog zu bearbeiten, um ihn mir einmal auszudrucken. Es ist schön, wenn man in den alten Posts stöbert und liest, was man alles erlebt hat; genau wie Du sagst.
Ich wünsche Dir noch eine schöne Zeit!
Bis zum August
herzliche Grüße Thomas

Ein Jahr in Bildern...

Mein Jahr in Bildern, zu finden auf: http://lilja.magix.net/

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thomasgeht - 26. Mai, 16:56
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Tines Mama - 16. Mai, 10:31
Manchmal sind zwei Wochen...
Manchmal sind zwei Wochen einfach nur zwei Wochen,...
lilja - 12. Mai, 18:06
hatte ich mal erzählt...
hatte ich mal erzählt das Leitungswasser in Lettland...
lilja - 23. Apr, 10:32
hey lilja, da sitz ich...
hey lilja, da sitz ich grad mit einem fetten schokomuffin...
Helene.Lene - 22. Apr, 16:18

Grüße an...

dich papa, daudz laimes dzimšanas diena!!!!

lettlands überwachungswahn hat angesteckt....ab jetzt weiß ich immer wieviele auf meinem Blog waren...^^

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Zuletzt aktualisiert: 26. Mai, 16:56

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